Toskana – zu schön, um wahr zu sein

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Leise im Hintergrund läuft im Internet „Radio Subasio“. Der Radiosender, der aus den Boxen meines Mietwagens dudelte, wenn ich durch die toskanische Landschaft gondelte. „Sai (ci basta un sogno)“ (Du weißt – ein Traum ist genug) singt mir Raphael Gualazzi leise sein Lied vom diesjährigen berühmten San Remo Musikfestival ins Ohr.

Dieses erzählt von dem Gefühlt, dass ein Traum reicht, um viel zu verändern. Traum, traumhaft, ein wahr gewordener Traum – ein gutes Stichwort, um die Toskana zu beschreiben. Das Sehnsuchtsziel so vieler Menschen lockte auch mich schon lange, als Italienliebhaberin sowieso und für meinen ersten Blogbeitrag dachte ich, es wäre ein Leichtes von der „bella Toscana“ berichten zu können.

Doch jetzt fühle ich mich mit dem Deutsch fast so unbeholfen, wie mit meinem immer noch holperigen Italienisch. Bei dem ich gerne, und vor allem wenn ich im Fotografieren oder Staunen versunken und nicht vorbereitet auf ein Gespräch bin, den ein oder anderen Buchstaben verwechsele oder weglasse und deshalb netten Italienern, die Smalltalk mit mir halten wollten, ein „Es tut mir leid, aber Du sprichst nicht gut italienisch“ an den Kopf geworfen habe (parlo = ich spreche, parli = du sprichst) oder das freundliche Angebot, köstlichen Prosciutto zu probieren mit der Entschuldigung „Vielen Dank, aber ich esse keinen Hund“ ablehnte (Hund = cane, Fleisch = carne).

Toskana

Nun aber versuche ich mich zu konzentrieren, die Buchstaben zu sortieren und die richtigen Ausdrücke für meine Toskana-Eindrücke zu finden: „Das also kommt dabei heraus, wenn Menschen einen ganzen Landstrich gestalten“, dachte ich mir bei dem ersten Anblick dieser berühmten und einzigartigen Kulturlandschaft.

Jahrhunderte lang nahmen die Menschen bewusst und detailliert geplant Einfluss auf das toskanische Landschaftsbild, vorbildlich gedacht für ein Leben des Menschen in Harmonie mit der Natur. Ich habe gelesen, dass die ästhetisch ansprechend gestaltete, idealtypische Renaissancelandschaft,  in der zum Beispiel ganz gezielt Gehöfte auf konischen Hügelkuppen und Zypressenalleen exakt platziert wurden, auch heute noch vom Gestaltungswillen der Bewohner zeugen und als Spiegel einer guten Regierung dienen sollten.

Toskana

Mit diesem Wissen und der festen Überzeugung auf der einen Seite, dass die unberührte Natur das Perfekteste und Schönste ist und der Abneigung gegen den Schönheitswahn der Menschheit auf der anderen Seite, war ich fast versucht, mich zu wehren, gegen diesen Zauber des sanft geschwungenen Hügellandes, von jahrtausende alten Olivenbäumen, verträumten Pinienhainen und von den, wie gemalten Zypressenalleen.

Dieser perfekten, von Menschen beeinflusst und geformten Landschaft wollte ich das absprechen, was man einem zu schönen Menschen abspricht – Charakter, Profil, Spannung, Natürlichkeit, Authentizität, … Irgendwie hatte ich wohl erwartet, dass die Toskana wie eine schönheitsoperierte Frau ist. Zu schön, um wahr zu sein. So perfekt, dass sie gar langweilt und einen nicht lange reizt.

Toskana

Doch die Toskana ist natürlich alles andere als langweilig und reizlos und hat kaum 30 Minuten gebraucht, um mein Herz im Sturm zu erobern. Nämlich genau die 30 Minuten, die es braucht, um vom Airport Galileo Galilei mit dem Auto heraus zu kommen; dorthin, wo man das findet, was die Welt so gemeinhin unter der typischen Toskana, eben dieser hügeligen Hügel und zypressengesäumten Alleen, versteht.

Aber die sich weit ausdehnende Toskana ist noch viel mehr, als nur Zypressen und grüne Hügel, nämlich unvermutet abwechselungsreich und voller Überraschungen. Neben den von Kunstschätzen und vor Geschichtsträchtigkeit berstenden und zahlreichen Städten, ist man fast verwirrt von der Vielzahl der auch hohen Berge und unterschiedlichsten Vegetationen. Irgendwie ist einfach jeder Ort, egal wie klein und unbekannt wunderschön. Ich musste alles über Bord werfen, was ich zuvor über die Toskana dachte und zu wissen glaubte.

Während ich also mit offenem Mund und staunend, aufgerissenen Augen in meinem Auto  über die Landstraßen krieche, überholen mich die „Toscani“ souverän und ungestört und ich fühle mich anfänglich, als würde ich einer Grün-Grün-Schwäche erliegen, völlig seekrank und schwindelig von diesen grünen Wellen und Wogen, wohin ich auch blicke. Was ist denn hier mit den Farben los?? Wie von Kaa, der Dschungelbuch-Schlange hypnotisiert und paralysiert, schwebe ich, eingelullt vom Lavendel- und Rosmarin-Duft, irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit, Begeisterung und völliger Ungläubigkeit.

Toskana

Geblendet von den inszeniert anmutenden Sonnenuntergängen und der Truman-haften Kulissen, versetzt mich der Anblick der toskanischen Landschaft jeden Tag in einen gar tiefmeditativen Zustand und ich muss die Augen schließen und den anderen Sinnen Raum geben, um die Toskana wahrhaft begreifen zu können. Augen zu – dafür die Toskana hören, schmecken, riechen und fühlen.

Denn begegnet man den dort lebenden Menschen, die so voller aufrichtiger Herzlichkeit und Menschlichkeit sind und lauscht ihren, vor Lebenslust sprühenden Erzählungen, probiert die unvergleichlich schmeckenden Köstlichkeiten aus dieser weltberühmten Region, riecht die vom süßen Blütenduft geschwängerte Luft, öffnet man sein vorurteilsbehaftetes und von Medieneindrücken geprägtes Herz und lässt sich von der wahren Atmosphäre im Innersten berühren.

So erkennt man, es gibt Dinge auf der Welt, die sind fast zu schön, um wahr sein zu können.Und das gilt vermutlich für sehr viele Orte auf diesem wundervollen Planeten. Für mich ist die Toskana wahrhaft das Schönste, was ich bisher gesehen habe und wenn überhaupt ein Vergleich mit einem Menschen ansteht, dann mit einer wunderschönen Frau, tiefgründig und facettenreich, überraschend und vielseitig, inspirierend und verzaubernd, deren natürlich gegebene Reize und Vorzüge, (ein Stück weit durch Menschenhand) noch mehr zur Geltung gebracht wurden.

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